HAZ vom 23.05.2014, S. 17:
Orientierung zwischen Biene und Brot
Nina-Dieckmann-Stiftung organisiert an acht Grundschulen Deutschkurse für Kinder mit besonderem Förderbedarf
Von Bärbel Hilbig
Manchmal liest Jeanette Moll Escher mit ihren fünf Erstklässlern im Chor. Das hilft, denn für keines der Kinder ist Deutsch die Muttersprache. „Sie hatten am Anfang Hemmungen, diese neue Sprache in den Mund zu nehmen“, sagt die 51-Jährige. In dem Zusatzkurs, den die Sprachlehrerin einem japanischen Kind und vier türkischen Kindern gibt, brauchen die Schüler keine Sorge zu haben, sich zu blamieren. Schließlich sind sie alle in einer ähnlichen Situation.
Schon allein, wie Erstklässler in der Grundschule die Buchstaben lernen, macht es Kindern mit wenig Deutschkenntnissen doppelt schwer. Bunte Bilder mit einem Affen für A und einer Biene für das B sollen helfen. Doch wie das B lernen, wen man das deutsche Wort Biene gar nicht kennt?
Moll Escher trainiert mit ihren Schützlingen in der Grundschule Wasserkampstraße deshalb Lesen mit Wörtern, die auch im normalen Unterricht im Lesebuch vorkommen. Erstklässlerin Güldane spielt zum Beispiel ein Domino, bei dem sie die Anschlusskarte nur legen kann, wen sie ein Wort liest und das Bild dazu findet. Heißt es „Biene“ oder „Brot“? Die Lehrerin hilft dem Mädchen, das Wort Buchstabe für Buchstabe zu entziffern. Die anderen Kinder beschäftigen sich währenddessen eifrig mit anderen Aufgaben, oft in Form bunter Kärtchen, die die Kinder motivieren. „Ich bin fertig. Was kann ich jetzt machen?“, ruft die sechsjährige Nilay. Sie liebt ihren Deutschkurs bei Frau Moll Escher.
Die Nina-Dieckmann-Stiftung ermöglicht diesen intensiven zusätzlichen Deutschunterricht. Das Programm „Deutsch für Grundschulkids“ läuft in Kleingruppen für aktuell 144 Kinder an acht hannoverschen Schulen. An der Grundschule Wasserkampstraße betreut Moll Escher neben den Erstklässlern auch eine kleine Gruppe Zweiklässler. Zwei Drittklässler, die erst frisch aus dem Iran und Syrien nach Deutschland gekommen sind, gibt sie Einzelunterricht.
Der staatliche Förderunterricht für diese Grundschüler ist bisher lückenhaft, sagt Nina Dieckmann, selbst pensionierte Grundschullehrerin. Das war Anlass für ihre Stiftungsaktivitäten, zu denen seit 2009 mehrere Förderprojekte gehören. Teils engagieren sich Ehrenamtliche dort – bei „Deutsch für Grundschuldkids“ sind jedoch erfahrene Pädagogen wie Jeanette Moll Escher als Honorarkräfte im Einsatz. Vor der Einschulung bekommen Kinder mit wenig Deutschkenntnissen Förderkurse von den Grundschulen. Nach der Einschulung ist diese Unterstützung nicht mehr vorgesehen. Hier setzt das Programm an.
Nina Dieckmann sieht es als ihre Aufgabe, Ehrenamtliche zu finden und Spenden für die Projekte einzuwerben, denn ihre kleine Stiftung kann kein Geld auswerfen. Sie konnte Niedersachsens Integrationsbeauftragte Doris Schröder-Köpf als Schirmherrin gewinnen, und eine Kooperation mit der Uni Hildesheim ist in Vorbereitung. Wenn Dieckmann erfolgreich bei der Sponsorensuche ist, könnte sie für das Sprachförderprojekt auch Lehramtsstudenten an hannoversche Grundschulen schicken.
Wenn Sie mitmachen möchten, sich eine Patenschaft oder das Betreuen von Kindern in den Familien vorstellen können, wenden Sie sich an unseren Verein Ganz unten e.V., wir vermitteln gerne weiter.