Die Stadt Hannover will eine ihrer umstrittensten Obdachlosenunterkünfte aufgeben und sucht aktuell Ersatz. Das düstere alte Gebäude liegt im Forst Mecklenheide – zwischen Mittellandkanal und der Autobahn 2 – am äußersten Stadtrand und weitab von der nächsten Wohnbebauung.

Unter Obdachlosen hat das Wohnheim an der Schulenburger Landstraße 355 einen besonders schlechten Ruf. Fachleute begrüßen deshalb die Pläne der Stadt, die nur durch Zufall bekannt wurden. „Ich habe noch von niemandem gehört, dass er dorthin will. Aber in jüngster Zeit war oft nur noch dort etwas frei“, sagt ein Sozialarbeiter einer Wohnungsloseninitiative. Für die Betroffenen sei das der „Worst Case“.

In dem Wohnheim gibt es rund 140 Plätze, meist in Zwei-Bett-Zimmern. Der Berater berichtet von deprimierenden Zuständen, hohem Sanierungsbedarf und blätterndem Putz. Für jeweils 20 Männer, die auf einem Flur wohnen, gibt es eine kleine Küche mit Zwei-Feld-Platte. Für Menschen in einer Notlage sei es unter diesen trostlosen Umständen noch schwieriger, ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommen, meint der Sozialarbeiter.

Vor allem psychisch erkrankte Obdachlose blieben oft über eine lange Zeit in der Unterkunft, berichtet Anne Wolter, Leiterin der Beratungsstelle für Wohnungslose beim Diakonischen Werk. „Und viele andere wollen dort nicht hin.“ Allein schon der abgelegene Standort sei abschreckend, sagt Wolter. Von der Endhaltestelle Nordhafen dauere der Weg zu Fuß über den Kanal rund 20 Minuten. „Die Menschen sind dort an den Stadtrand abgeschoben, ohne Kontakt zur normalen Gesellschaft.“ Auch die vorherrschende Unterbringung in Doppelzimmern sei ungünstig. „Die Obdachlosen kommen so nicht zur Ruhe.“

In dem Haus ist es in der Vergangenheit immer wieder zu schweren Gewalttaten unter Bewohnern gekommen. Seit 2006 kamen dabei drei Menschen ums Leben. Damals starb ein Mann nach einer Prügelei mit einem Bekannten, 2007 erstach ein Obdachloser einen anderen. 2011 misshandelten drei Besucher einen Bewohner der Unterkunft schwer. Im gleichen Jahr wurde ein 45-Jähriger im Haus durch mehrere Stiche in den Oberkörper getötet.

„Wo viele Leute in einer schwierigen Lebensphase auf engem Raum zusammenwohnen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Konflikten kommt“, sagt der Sozialarbeiter. Fachleute aus der Wohnungslosenhilfe befürworten daher eher dezentrale kleinere Wohnheime oder als beste Lösung unter dem Stichwort „Housing First“ Einzelwohnungen in normalen Wohnvierteln.

Als Ersatz für die baufällige Unterkunft im Stadtteil Nordhafen strebt die Stadt allerdings einen Neubau mit 160 Plätzen in Einzelzimmern an, den ein privater Investor errichten soll. Die Stadt will das Gebäude dann mieten. „Je größer ein Wohnheim ist, desto schwieriger ist es, auf die Bedürfnisse der Bewohner einzugehen und bei Spannungen zu deeskalieren“, sagt Diakonie-Beraterin Wolter. Der Neubau soll in einem Gewerbegebiet in Hainholz entstehen. Dagegen hat die SPD im Bezirksrat Nord zu intervenieren versucht. Sie lehnt die Verlagerung einer großen Obdachlosenunterkunft in den Stadtteil ab. Hainholz weise bereits besondere Herausforderungen und Probleme auf, heißt es in einem Antrag, der durch einen Fehler der Verwaltung bereits öffentlich im elektronischen Kalender der Stadt einsehbar war. Die SPD-Fraktion kritisiert, dass es im Vorfeld keine Gespräche mit Sozialeinrichtungen oder der Obdachlosenhilfe gegeben habe.